Flor und Blankflor 4 von 6

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                              4.

Hoch stand die Sonn', als Flor noch lag und schlief;
  Da sah die treu'ste Dienerin Blankflores
  Herab vom Söller ihres Thurms, und rief:

Was seh' ich dort, und nie sah ich zuvor es!
  Was ist für eine Blumenkolonie
  Gewandert an die Schwellen unsres Thores?

Gesellinnen, es wäre Schad' um sie,
  Wenn ungenützt sie dort im Staub verdörbe,
  In unserer Gebiet'rin Zimmern hie

An ihrem Blick nicht schönern Tod erwörbe.
  Gleich geht hinab, und bringt mir in den Saal
  Die Blumen her im größten eurer Körbe.

Da stiegen eilends von dem Thurm zu Thal
  Blankflorens leichtgesinnte Dienerinnen
  Und faßten ein der Blumen ganze Zahl,

Den Flor zugleich, und keine ward es innen:
  Rasch trugen sie, nicht fühlend sein Gewicht,
  Den Schlafenden in seines Glückes Zinnen;

Wohin im Schlaf (deß gab ich dir Bericht)
  Sein Blumengeist bereits war aufgeflogen,
  Allein sein Blumenkörper selbst noch nicht.

Doch der hat eben auch nicht schwer gewogen;
  Das war an seinen Träg'rinnen zu sehn,
  Die sich mit ihrem Korbe wenig bogen.

Sie ließen drauf den Korb im Saale stehn;
  Und als aus seinem Traume Flor erwachte,
  Wußt er verwundert nicht wie ihm geschehn.

Du denkst wohl, daß Verwundrung es ihm brachte,
  Daß er nun seiner Liebsten war so nah?
  Nein, daß so fern, war's, was ihn wundern machte.

Denn näher war er dort im Traum ihr ja,
  Als hier, wo er, wenn ihre Näh' auch fühlte,
  Doch sie mit seinen Augen selbst nicht sah.

Darob er sich in seine Blumen wühlte,
  Ein Grab hätt' er sich wühlen mögen gern,
  Daß es die Brust mehr als ein Bett ihm kühlte.

Doch Blankflor saß im andern Saale fern,
  Nicht auf den Korb voll Blumen achten wollend,
  Weil sie noch nicht geahnet seinen Kern.

Zu ihren Dienerinnen sprach sie schmollend:
  Ihr bringt mir täglich einen neuen Troß
  Von Blumen her, die, mir gefallen sollend,

Mir doch Verdruß nur machen können bloß.
  Die Blumenart, die lieb ist meinem Herzen,
  Sie wächst nicht hier um dieses wilde Schloß:

Und daß sie hier nicht wächst, das macht mir Schmerzen.
  Da sprach zu ihr die treue Dienerin:
  So möge mir der Sonne Strahl sich schwärzen,

Wenn ich im Stande nicht zu finden bin
  Die rechte Blume noch, die aufzuhellen
  Vermöge meiner Herrin dunklen Sinn.

Die Blumen, die heut Nacht an unsre Schwellen
  Gewandert sind, wo hat ein Aug' erblickt
  So schöne je in Gärten und an Quellen?

Gewiß hat sie ein Gott uns hergeschickt
  Laß sehn, ob ich von ihnen dir auswähle
  Nicht irgend eine, die dein Herz erquickt.

So rief sie aus und eilte durch die Säle,
  Im Flug erwägend, welcher Blume Schmuck
  Wohl eigentlich der lieben Herrin fehle.

Hin trat sie an den Korb, und sah -— ein Zuck
  Des Schrecks durchfuhr sie, als sie Flor sah liegen.
  Wo wär' ein Weib, das je solch einen Spuk

So unverhofft gesehn hätt' und geschwiegen?
  Was Wunder also? Jener war ein Schrei
  Entflohn, eh sie ihn lassen wollt' entstiegen.

Da sprang der Mägde ganze Schaar herbei,
  Des Schreckenrufs Bedeutung zu erfragen.
  Sie sprach behend: Geht nur, es ist vorbei.

Da ich hier wühlt' in diesen Blumenlagen,
  Hab' ich gestochen mich an einem Dorne,
  Doch die Verwundung hat nicht viel zu sagen.

Wie zierlich schöpft aus der Erdichtung Borne
  Nicht Frauenkunst!  »Zum Garten schnellen Flug's!
  Holt Blumen her von besserm Schrot Und Korne!

Denn hier im ganzen Korb ist wenig klug's;
  Geschwind, und holt in neuen Körben neue!«
  Sie gingen hin, unachtsam des Betrugs.

Doch zu Blankfloren trat die Magd, die treue:
  O süße Herrin, jetzund denk' ich doch
  Zu haben eine Blume, die dich freue;

Die dort im Korb zu unterst sich verkroch.
  Komm selbst, sie draus an's Licht hervorzuheben;
  Für deine Magd ist dieses Amt zu hoch.

  Blankflora sprach: Vermagst du mir zu geben
  Die eine Blum', um die ich Schmerzen litt?
  Die treue Magd sprach: Herrin, ja die eben;

Wenn nicht mein Herz mich trügt. O komm nur mit!
  Blankflora sprach: Das soll dir nicht gelingen;
  Um deine Blume thu' ich keinen Schritt.

Da sprach die treue Magd mit Händeringen:
  So muß ich denn, o seltsames Geschick,
  Zu ihrem eignen Glück die Herrin zwingen!

Aus Blumen wand sie eilig einen Strick,
  Und zu Blankfloren tretend, die sich sträubte,
  Schlang sie ihn um ihr blumiges Genick;

Und durch den Saal hin zog sie die Betäubte,
  Bis zu dem Orte, wo Verdeckt lag Flor
  In seiner Wiege, die von Düften stäubte.

Da fiel von Blankflors Augen ab ein Flor,
  Ein neuer Flor umhüllt ihr die Gedanken,
  Und niedersank sie in den Blumenflor.

Ein Doppelpaar von Armen ward nun Ranken,
  Die in einander zu verwachsen trachteten,
  Und Lippen Kelche, die einander tranken.

O wie in langen Zügen die Verschmachteten
  Sich wechselseitig zu erquicken hatten,
  Die dieses unlängst noch unmöglich achteten!

Die treue Magd, die froh des süßen Gatten
  Die Herrin sah, stand, sich am Anblick labend;
  Dann wandte sie den Blick und trat in Schatten.

Die Sonn' am Himmel auch, gesehen habend
  Die zwei Vereintem gleichfalls ab sich wendend
  Von ihnen, ging und ließ zurück den Abend.

Sie wechselweis' mit ihrem Licht sich blendend
  Umfingen sich, wie um sich nie zu trennen;
  Bis Blankflor ausrief, die Umarmung endend:

O Freundin, oder wie soll ich dich nennen?
  Von der ich diese Liebesblum' empfangen;
  Daß es die rechte sei, kannst du erkennen.

O könnt' ich's lohnen dir mit goldnen Spangen!
  Doch hab' ich nichts von Gold als meine Liebe,
  Und die muß, siehst du, ganz an diesem hangen.

Die treu sprach: Wen ich des Schicksal schriebe,
  Ich fügt' es, daß von diesen goldnen Sachen
  Den schönen Glanz euch keine Zeit zerriebe.

Doch um dem Spiel ein Ende nun zu machen,
  Nehmt Lieb' und Liebsten mit in eure Kammer;
  Ich will im Saal hier mit den Blumen wachen.

Da hub sich von den Blumen an ein Jammer,
  Als sie das Paar sah'n, das, sich Lust zu pflücken,
  Hin ging, geführt von Amor, dem Entflammer.

O solche Lust mag doch nicht Blumen glücken,
  Wi heiß sie auch in Liebesodem glimmen,
  Als wo zwei Menschen an das Herz sich drücken;

So hoch mag wohl des Engels Traum nicht klimmen.
  So singen an die Blumen von dem Glück
  Der Liebenden ein Brautlied anzustimmen.

Da kam der Dienerinnen Schaar zurück,
  Die Blumen suchen wollten in dem Garten,
  Und dort gefunden hatten nicht ein Stück.

Worauf auch sollten dort die Blumen warten,
  Die jetzt um Flors und Blankflors Brautgemach
  Versammelt waren, ihnen aufzuwarten?

Die treue Magd rief ihnen zu und sprach:
  Leis' aufgetreten! Schuhe losgebunden!
  Als ihr hinaus war't, hab' ich doch hernach

Die Blume für die Herrin noch gefunden,
  Die sie vor lauter Lust zu Bett mitnahm,
  Um dort daran die Nacht-durch zu gesunden;

Als ob die Blume wär' ein Bräutigam.
  Geht ihr zur Ruh; ich bleibe noch und weile
  Hier an dem Korb, aus dem die Blume kam.

Ich will in ihm doch suchen eine Weile,
  Ob solche Blume, wie für sie ich fand,
  Ich nicht für mich auch find' an meinem Theile.

Die Mägde gingen fort in Unverstand;
  Zurück blieb jene, vor dem Heiligthume
  Der Liebe machend an des Korbes Rand;

Allein im Korbe fand sie keine Blume.