Flor und Blankflor 5 von 6

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Wenn irgend sich in dieser Einsamkeit
  Ein Abendwind versteckt hält, um zu lauschen,
  Der jetzt ein ausmerksames Ohr mir leiht,

Und eh'r nicht will, als bis ich ende, rauschen;
  Wenn irgend ihr, o Bäum', herab euch laßt
  So tief, wo winz'ge Halme Worte tauschen;

(O senket nur theilnehmend einen Ast!)
  Wenn irgend gar zu diesem Unterreden
  Ein Nienschenherz sich findet ein als Gast:

So bitt' ich von euch allen einzeln jeden,
  Daß er's mir wenden wolle nicht zum Arg,
  Wenn ich so lang gesponnen meine Reden,

Bis ich in's Brautgemach die beiden barg;
  Vielleicht kann ich mich nun so kürzer fassen,
  Mit einem Sprung vom Hochzeitbett zum Sarg.

Fortfähret die Geschichte solchermaßen:
  Der König von dem Lande Babylon,
  Den Blankflor lieben sollt', und mußte hassen;

Saß, da es Morgen war, auf seinem Thron,
  Den Scepter in mißmuth'gen Händen wiegend,
  Weil wieder eine Nacht umsonst entflohn;

Indeß im Arme Flors Blankflora liegend,
  Den König, der jetzt dacht' an sie, vergaß,
  Ihn um die Zinsen seines Golds betrügend:

Gern schenkend einem andern reiches Maaß;
  Von dem, was jener theu'r erkaufen wollte;
  Der eigensinn'gen Liebe Brauch ist das.

Der babylons'sche König sprach und grollte
  Zur Dienerschaar: Die Stund' ist schon vorbei,
  Wo Blankflor hier vor'm Thron erscheinen sollte.

Geh, Kämmerling und bringe sie herbei!
  Da ging der Kämmerling zu Blankflors Bette,
  Und sah im Bette statt der einen zwei,

Verstrickt in zarter Arme Liebeskette
  So enge, daß die beiden leicht für eins
  Auch ein scharfsicht'gerer gehalten hätte.

Der Kämmerling das süße Bild des Scheins
  Betrachtend, zweifelnd, welches von den beiden
  Er wecken sollte, ging und weckte keins.

O Herr und König, du bist zu beneiden,
  So sprach zum Könige der Kämmerling:
  Heut Nacht hat aus dem Bette grüner Seiden

Die Rose, die ich jetzt zu wecken ging,
  Sich in zwei Knospen, die sich völlig gleichen,
  Getheilet, wenn kein Wahn mein Aug' umfing.

Geh selber hin, o Herr, sie zu vergleichen,
  Und zu entscheiden, welch' in deiner Gunst
  Von beiden fürder soll der andern weichen.

Da sprang der König auf in wilder Brunst:
  O weh mir über folche Rosentheilung!
  Die ward, mir ahnt's, von böser Zauberkunst

Bewirkt, und ist, ich fürcht' es, ohne Heilung.
  Er rief's, und feines Goldgewandes Saum
  Zusammenfassend, schritt er mit Beeilung.

Um Schritte nur entfernt noch ist er kaum
  Vom Brautgemach, das werden muß zu Grüften,
  Wenn nicht die treue Magd erwacht vom Traum,

Darein sie an des Blumenkorbes Düften
  Versunken ist erst kurz vor'm Morgenroth,
  Und jetzt vom Goldstoff nur, der an den Hüften

Des Königs rauscht, erwacht sie, hoch zur Noth.
  Aufsprang sie und zur Kammer hin, zu wecken
  Die Schlafenden: Wacht auf, vielleicht zum Tod!

So rief sie, und sie wachten auf zum Schreckem
  Sie konnten, was sie vor sich noch nicht sahn,
  Im Blicke wohl der treuen Magd entdecken;

Und riefen beide: Wird der König nahn?
  Sie rief: Er wird, der Tod auf seinen Füßen,
  Wenn nicht die Rettung naht auf Gottes Bahn.

Der Wächterin Verschuldung müßt ihr büßen,
  Wenn nicht für euch ein Engel hat gemacht.
  Als wider Willen ich entschlafen müssen.

Denn als ich einschlief auf der Blumenwacht,
  Fühlt' ich mir etwas an den Finger schieben,
  Und fand den Ring hier, als ich jetzt erwacht.

Auf dieses Ringes Rande steht geschrieben:
  Nicht stirbt, wer solchen Ring am Finger trägt,
  Hätt ich der Ringe zwei doch für zwei Lieben!

Doch ward von Gott nur einer ausgeprägt.
  Nehmt hin! Möcht' er euch schirmen können beide;
  Doch wer von euch ihn ansteckt, das erwägt!

Sie rief's, und warf das goldene Geschmeide
  Hin auf das Bette, bang, ob ihnen solch
  Ein Amulet zum Glück sei, ob zum Leide.

Da trat der König ein und sein Gefolg;
  Und eh er auszog seines Schwerts Gewaffen,
  Zückt' er auf's Bett hin eines Blickes Dolch:

Der traf das Paar mit tödtlichem Erschlaffen,
  Drauf aber, als es erst sich angeblickt,
  Begann es muthig sich empor zu raffen.

Sowie vor'm Geier wohl die Taub' erschrickt,
  Doch wenn sie siehet, daß mit ihr verbunden
  Ihr Gatte stirbt, zum Tod sich freudig schickt.

So hielten sie sich auf dem Bett umwunden;
  Im Kreise staunend stand der Hof herum,
  Doch ihrem Blicke war die Welt verschwunden.

Sie blieben eine kleine Weile stumm;
  Als aber nun den Ring sie sahen blinken,
  Da hob ihr lauter Streit sich an darum.

Flor mit der Rechten, Blankflor mit der Linken,
  Erfaßten ihn, wie seine Beut' ein Greif,
  Und Jedes wollte an den Fingerzinken

Des andern glänzen seh'n den Lebensreif;
  Hinrief das eine nach des andern Seiten:
  Warum hältst du den Finger denn nicht steif?

Willst du den Ring daran nicht lassen gleiten?
  Das andre drauf: Warum so eingeklemmt
  Hältst du die Hand? du sollst die Finger spreiten.

Und weiter stritten sie dann ungehemmt:
  Indeß sich um den Ring die Hände stritten,
  Ward von den Augen er mit Fluth geschwemmt.

Flor reif jetzt aus: Blankflor laß dich erbitten;
  Du darfst den Tod nicht leiden auch für mich,
  Da du um mich im Leben gnug gelitten.

Du hättest hier im fremden Himmelsstrich
  Als Kön'gin unter Blumen thronen können,
  Wär' in das Schloß nicht hergekommen ich.

Drum mußt du mir für dich zu sterben gönnen.
  Blankflor rief aus: Im süßen Heimathreich
  Hätt'st du an Quellen, die von Blut nicht rönnen,

Selbst herrschen können einem König gleich,
  Hätt' in dies Schloß nicht Liebe dich verlocket;
  Drum mußt du lassen mir den Todesstreich.

Warum bist du noch immer so verstocket?
  Draus kämpften beide mit manch andrem Wort,
  Und drauf mit Thränen, als das Wort gestocket.

Blankflor rief: Dienen kann mir nicht zum Hort
  Der Ring, wenn ich ihn auch am Finger trüge;
  Dir stürb' ich, wenn du stürbest, nach am Ort,

Und strafte so des Ringes Zauber Lüge.
  Flor rief: Und glaubst du, daß zum Leben mir
  Mehr, als dir selbst, ein kalter Goldreif gnüge?

Drum ende unser thöricht Streiten hier:
  Wenn wir vereinigt ohn' ihn können sterben,
  Was soll der Zwiespaltstifter mir und dir?

Laß aus den süßen Händen los den herben,
  Ich werf' ihn hier vor deinem Angesicht
  Zum Boden, daß er splittern soll in Scherben.

Und hiermit, Schwester, schließt sich mein Bericht.
  Bestanden hat das Paar nun seine Proben;
  Das weitre kümmert sie, und uns auch, nicht.

Ob sich gesänftiget des Königs Toben,
  Als er das Schauspiel solcher Liebe sah,
  Ob gegentheils er grimmer noch geschnoben;

Ob drauf den beiden Lieb', ob Leid geschah;
  Kann weiter nichts am Wesentlichen ändern:
  Sie selber sind sich unzertrennlich nah;

Ob sie geschieden sei'n von Meer und Ländern,
  Tod oder lebend, niedrig oder hoch,
  In Königskronen oder Kerkerbändern.

Wenn Königszorn ihr blühend Haupt auf's Bloch
  Des Henkers wars, sind sie verwandelt worden
  In Blumen und gewiß als Blumen noch

Blühn sie jetzt irgendwo an Baches Borden.
  Wenn Königshaß sie schloß in ehrne Haft;
  Dann sind gewiß zu ihnen Blumenhorden

Hineingedrungen, die mit stiller Kraft
  Für sie sich haben in ein Seil geflochten
  Und so vom Thurm hernieder sie geschafft.

Und so, was immer sie erfahren mochten,
  Hat immer eine Blumenschaar gewiß
  Sie treu verwahrt, vertreten und verfochten.

Der schönste Ausgang der Geschicht' ist dies,
  Den ich einst lesen hört' aus alten Schriften:
  Daß sie der König selbst ohn' Hinderniß

Zurück entließ nach ihren heim'schen Triften,
  Wo Flor und Blankflor drauf ein ehlich Paar
  Geworden, um ein groß Geschlecht zu stiften.

Ja, in denselben Büchern heißt es gar,
  Daß solches blühenden Geschlechtes Ranke
  (Nur im wievielsten Grad ist mir nicht klar)

War König, Kaiser Karl, der große Franke
  Ob solches Grund hat, weiß man nicht genau,
  Doch schmeichelhaft für uns ist der Gedanke;

Weil wir hier stehn auf einer fränk'schen Au,
  Und Gräser auch um Ahnenruhm sich kümmern
  Dort, siehst du? her vom Wald blickt dunkelgrau

Ein fränkisch Schloß, das noch nicht ward zu Trümmern.