Die Fackelträger.

                      1812.

Gleich einer Fackel ist des Menschen Leben,
  Zu Fackelträgern sind wir zwei bestellt,
  Durch unsre Hände mußt du, Ird'scher, schweben.

Ich bin die erste, die die Fackel hält,
  So lange sie, von Lebensglut getränket,
  Ihr Sehnen richtet nach des Himmels Zelt.

Ich bin der andre, der die Fackel schwenket
  Zum letztenmal, wo sie zu löschen droht,
  Und sie dann friedlich in die Nacht versenket.

O sieh uns an! ich heiße Lieb', ich Tod.
  Sieh uns genau an! schwer ist's uns zu kennen,
  Obgleich ich blaß bin, und ob ich gleich roth.

Mein Lächeln ist ein Trauern fast zu nennen;
  Mein Trauern kann ein Lächeln scheinen fast;
  Komm, Irdischer, und freue dich zu brennen!

Jetzt halte ich, die Liebe, dich gefaßt,
  Und schüre dich mit meinen heißen Blicken!
  Mein Bruder mit dem kalten steht und paßt.

Jegliches Jauchzen, jegliches Entzücken,
  Das dich durchdringh ist Sporn in meiner Hand,
  Der schneller meinem Bruder dich soll schicken.

Jeder Gedanke, der des Geistes Band
  Anstrengend dehnt und sein Geweb erschüttert,
  Ist dir ein Sturm, der nährt und zehrt den Brand.

Der Sehnsucht Wollust, der die Seel' erzittert,
  Der Andacht Inbrunst, der entflammte Muth,
  Trägt Schauer, der des Todes Nähe wittert.

Der Feuertrank geschöpft aus Traubenbluh,
  Ist Oel, das in die rasche Flamme spritzet,
  Daß doppelt rasch entflackert ihre Gluth.

Des Kusses Stachel, der entzündend ritzet,
  Wird Funkenschlag, der zuckend dich durchläuft,
  Daß in sich selbst des Lebens Stoff zerblitzet.

Die Gluthumarmung die von Wonnen träuft,
  Bricht durch und durch, um durch und durch zu enden,
  Daß schon der Bruder nach der Fackel greift.

Nur säumend nehm' ich sie ihm aus den Händen;
  Was wär's, wenn ich sie ließe seiner Wahl?
  Ich spende viel, doch er hat mehr zu spenden.

Von mir geschwungen fliegt der einzle Strahl
  Dem Himmel zu, nachdem die Flamme trachtet;
  Er schwingt die ganzen Flammen auf einmal.

Die Lieb' ist nur der halbe Tod, und schmachtet
  Dem ganzen zu; die ganze Lieb' ist er,
  Der sich mit ew'ger Hochzeitnacht umnachtet.

Drum breit' ich sehnend rings um ihn mich her;
  Ich lasse mich von seinem Wehn umfangen,
  Ich küss' ihn und bin außer ihm nichts mehr.

So tönte die Gestalt; und es verschlangen
  Die beiden sich, alswie zwei Tropfen Thau,
  So sah ich plötzlich sie in Eins zugangen.

Ich fühlte mich von ihrem Odem lau
  Gefaßt, und lodernd mich dahin getragen,
  Wie Duft der Blumen, durch die Frühlingsau;

Ob Lieb', ob Tod mich trug, konnt' ich nicht fragen.