Wein und Weinen.

                        1812.

Hör' an, und lern' in deinem Geist erkennen,
  Wie tief die Wahrheit in dem Worte spielt,
  Das blöde Weisheit wohl mag Zufall nennen.

Wenn sich dein Aug' im eignen Balsam kühlt
  Von seinem Schmerz, so nennest du es Weinen;
  Ein sanfter Laut, bei dem man Thränen fühlt.

Und wenn der mütterliche Schooß aus reinen
  Gluthadern dir die Milch der Freude schickt,
  So wird auch sie in deinem Mund zu Weinen.

Wie Schmerz und Lust in Eines ist verstkickt,
  So Wein und Weinen ist in Eins erklungen;
  Wenn du es weißt, sag, welches mehr erquickt?

Die schönste Thräne, welche, süß durchdrungen
  Von Sonneninbrunst, dir die Erde weint,
  Als goldner Wein ist sie für dich entsprungen.

Die schönste Rebe, welche dir erscheint
  Von Paradies, und es dich läßt genießen,
  Ist Liebe, die mit dir sich weinend eint.

Soviel der Beeren an der Traube sprießen,
  Sind soviel Thränen, die geronnen hangen,
  Um mild an deinem Kusse zu zerfließen.

Soviel im Auge Thränen dir zergangen,
  Als soviel Trauben werden sie geronnen
  Dir einst am Baum der Liebe fruchtend prangen.

Hat nicht der Rebstock Augen selbst gewonnen,
  Um dieser Augen Thränensaft dem Zecher
  Zu brauen wunderbar zum Rausch der Wonnen?

Hat nicht das Auge sich gehöhlt zum Becher,
  Der mit dem milden Wein sich füllend schwillt,
  Von dem gesänftigt Hasser wird und Rächer?

Ja selbst die Sonne kann ihr leuchtend Bild
  Nicht schöner als in dem Krystalle schauen,
  Der aus dem Aug« und aus der Rebe quillt.

So laß, o Sohn des Staubs, die reinen lauen
  Geschwisterfluthen um dein Leben schwellen,
  Um dich mit Himmelsahnung zu bethauen,

Bis selbst du badest in des Himmels Quellen.