Die drei Quellen

Zusammen saßen Quellen, drei Geschwister,
  Verschlossen tief in unterird'scher Gruft,
  Wo sie im Dunkeln hatten ihr Geflüster.
Da kam herein gegangen eine Luft.
  Ich weiß nicht, wie in den verschloss'nen Pforten
  Gesunden sie mocht haben eine Kluft.
Die sah die drei an den verborgnen Orten;
  Und wie die Luft gesprächig ist von Art,
  So redete sie jene an mit Worten:
Was sitzet ihr, Geschwister, jung und zart,
  Da hinter eures Mutterhauses Thüren,
  Wo ihr die ungebrauchten Kräfte spart;
Mit denen wäre manches auszuführen,
  Wenn ihr sie brauchen wolltet? Nehmet mich
  Zu einem Beispiel, wie man sich soll rühren.
Nicht minder jung und zart als ihr, bin ich;
  Und doch versichr' ich euch, indeß ihr sitzet,
  Daß ich derweil die ganze Welt durchstrich.
Hoch von den Regionen wo es blitzen
  Bis zu der Erde nieder, hin und her,
  Hab' ich mich oft erkühlt und oft erhitzet.
Mit meinen Flügeln ward mir's nicht zu schwer,
  Die höchsten Berge hoch zu überfliegen;
  Und wo die Erde aus war, kam das Meer.
Da ließ ich auch nicht meinen Muth erliegen;
  Ich trieb's zu Wasser, wie ich's trieb zu Land:
  Dort gab's, wie hier, zu treiben und zu wiegen.
Zu Lande trieb und wiegt' ich, was ich fand,
  Und wär's nur Strassenstaub und Laub der Bäume;
  Am Ufer kräuselt' ich den goldnen Sand.
Im Meere kraust' ich bunte Wogenschäume
  Und Wolkenflor. Das ist ein schönes Spiel,
  Wie's nie gekommen ist in eure Träume.