Wer lügt das ganze Jahr, ist schlimmer nicht fürwahr,
Als wer ein einzig mal nur lügt im ganzen Jahr;
Wie dieses mit Gefahr des Lebens ward gewahr
Am ungetreuen Knecht das treue Ehepaar.
Die dachten, um mehr Zeit zu haben sich zu küssen,
Daß einen Knecht in's Haus sie sich noch kaufen müssen.
Der Mann geht auf den Markt und sieht dort ausgestellt
Solch einen zum Verkauf, der ihm gar wohl gefällt.
Und der Verkäufer ruft: Wer kaufet einen Engel?
Er hat an seinem Leib, ihr seht es, keine Mängel.
Und auch sein Inneres ist wie die äußern Züge,
Es hat nur einen Fehl, und dieses ist die Lüge.
Doch nicht das ganze Jahr lügt er und immerdar,
Er lügt ein einzig mal allein im ganzen Jahr.
Denkt unser Mann: Wo ist ganz ohne Fehl ein Ding?
Ich kaufe mir den Knecht, der Fehler ist gering.
Ich kann das ganze Jahr auf seine Treue bauen,
Und nur ein einzig mal brauch' ich ihm nicht zu trauen.
Ganz gut, mein Freund! wenn du das einz'ge Mal nur wüßtest,
Wo vor der Lüge du dich grade hüten müßtest!
Der Knecht war lange treu, das Jahr ging um indessen,
Und daß in Jahresfrist er löge, war vergessen.
Nun war der Mann in's Bad an diesem Tag geritten;
Der Knecht hub ein Geschrei laut in des Hauses Mitten:
Der Herr, o weh, der Herr! gelöscht sein Lebensfunken
Im lauen Wasser! ach, der Herr im Bad ertrunken!
Die Frau vernahm es und zerriß in ihrem Leid,
Ein neues war es grad', an ihrem Leib das Kleid.
Er aber lief in's Bad: Die Frau, o weh, die Frau!
Begraben eingestürzt auf sie des Hauses Bau!
Der Mann sprang aus dem Bad, im Stich ließ er sein Kleid,
Und lief im Hemd nach Haus, zu sehn sein Herzeleid.
Da sah sie ihren Mann, er sah sie und sein Haus;
Sie sahn erstaunt sich an, und lachten froh sich aus.
Wo ist der falsche Knecht? ihm blühet Peitschenschlag,
Doch er entschuldigt sich, es sei sein Lügentag.
Und die Entschuldigung, sie lassen gern sie gelten;
Was ihnen Spaß gemacht, wie sollten sie es schelten!
Ich ließ' es gelten auch, ihr lieben Leute, wüßtet
Ihr nur, ob ihr den Scherz nicht gar mit Ernst noch büßtet!
Der Knecht war wieder treu, um wieder ging das Jahr,
Und wieder kam der Tag, als er vergessen war.
Der Mann war außer'm Haus, da sprach zur Frau der Knecht:
Daß eine andre frei'n der Herr will, ist nicht recht.
»Wie freien?« Wie ein Mann frei't eine andre, wann
An seiner ersten ihm die erste Lust zerrann.
Doch lehren will ich dich, den Zauber zu bereiten,
Der ihm die Lust benimmt von dir zu einer zweiten.
Ein Flöckchen Bart im Schlaf entscheer' ihm unter'm Kinn,
Geweiht auf Kohlen leg's, das bannet seinen Sinn.
Sie denkt dem Mittel nach, er aber sucht den Herrn:
Nicht schön ist's, daß die Frau sieht einen andern gern.
»Wie gern?« So gerne, daß sie alle Scheu vergaß,
Im Schlaf den Hals dir abzuschneiden sich vermaß.
Wenn du's erproben willst, wach nur und schein zu schlafen;
Und mit der Waffe, die sie führt, magst du sie strafen.
Sie führt, als sie im Schlaf ihn glaubt, ein scharfes Messer.
Und naht, er wacht und sieht's; braucht er Beweise besser?
»Die Waff' entreiß' ihr, daß sie selbst sie fühlen mag!«
Rieth mir der Knecht. Der Knecht? Heut ist sein Lügentag.
Zum Glück zu rechter Zeit hat er des Tags gedacht,
Sonst hätt' er sich in Leid auf Jahr und Tag gebracht.
Doch hat er nun genug erfahren, um zu jagen
Flugs aus dem Haus den Knecht mit seinen Lügentagen.