Der Wunderbaum.

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Im Osten steht ein Baum, ob allen hochbekront,
  In dessen Innerstem eine Naturmacht wohnt,
Die von der Wurzel bis zum Gipfel ihn durchwaltet,
  Und ihn mit Wunderpracht und Zauberfüll' entfaltet.
Er trägt das ganze Jahr den grünen Schmuuck des Haares,
  Und eine andre Frucht zu jeder Zeit des Jahres.
Ein Volk, das im Gebirg', auf dem er thronet, wohnt,
  Ehrt ihn als einen Gott, der seinen Ehrern lohnt
Mit Frucht, die er ergießt, und die kein Herz genießt,
  In dem nicht alsobald Naturanbetung sprießt.
Kein göttlicheres Bild war ihrem Sinn beschieden,
  Sein Alter ewig jung gab ihnen Schirm und Frieden.
Da kam ein Eiserer des Glaubens aus dem Westen,
  Ein Ende machen wollt' er plötzlich ihren Festen.
Den Baum, an welchem war ihr einziges Ergötzen,
  Nannt' er, den ihren Gott sie nannten, ihren Götzen.
Er lehrte sie, daß nicht in Laub und Blätterkrone,
  Daß über Sonn' und Mond der Gott des Himmels wohne.
Er schwingt ein scharfes Beil, den Baum zum Seelenheil
  Zu fällen, daß sein Stolz werde der Gluth zu Theil.
Der Baum im tiefsten Mark von Schauer ist durchzittert,
  Weil Himmelseifer stark leicht Erdenluft entflittert.
Um Schonung fleht er ihn mit leisem Rauschen an:
  »Was hab' ich dir zu Leid, o frommer Mann, gethan?
Süß, doch nicht giftig sind die Früchte, die mir sprießen;
  Verschmähst du sie, so laß doch diese sie genießen.
Wenn solchen Früchten nicht, bist du wohl andern hold?
  Zur Lösung biet' ich dir ein fruchtgestaltet Gold.
An jedem Tage, wo du schonest meiner Glieder,
  Schütt' ich in deinen Schooß den goldnen Regen nieder«
Da zieht der fromme Mann sein Beil zurück vom Stamme,
  Den Eifer löscht das Gold, der Baum entgeht der Flamme.
An jedem Morgen holt er seinen Ehrensold,
  So sieben Tage lang, am achten fällt kein Gold.
Da hebt der Eifer neu sein Beil, den Stamm zu fällen,
  Doch der hat Muth nun ihm entgegen sich zu stellen.
Halt, ruft er, Frevler, halt! was willst du mich verheeren?
  Er thu's zu Seelenheil, sprach er, und Gottes Ehren.
Das lügst du, sagt der Baum, einst wolltest du das thun,
  Ich glaubt's, und zitterte, doch anders weiß ich's nun.
Für Gold ist Seelenheil und Gottes Ehre feil;
  Hau zu, ich zittre nicht, Gold hat gestumpft dein Beil.
Da fing der Wipfel an zu brausen und zu sausen,
  Und den Bethörten trieb von dannen heil'ges Grausen.
Noch steht der stolze Baum, und wer das Haupt vom Rumpfe
  Will trennen, sehe zu, daß sich sein Beil nicht stumpfe.