Der Garten von Jrem.

Ist euch Kunde zugekommen
  Von Schedad; dem Sohn des Ad,
  Der da, nicht zu seinem Frommen,
  Ging des Uebermuthes Pfad?
Wo er herrscht' auf Jrem’s Auen,
  Die zwar blühten schön genug,
  Wollt' er einen Himmel bauen,
  Wie die Erd' ihn nicht ertrug.
Einen Paradiesesgarten
  Nach dem Muster jenes dort,
  Der die Sel'gen soll erwarten
  Nach des Koran's klarem Wort.
Zwar der Koran war zur Erden
  Noch gekommen damals nicht;
  Doch Erleuchtung konnte werden
  Dem Schedad im Traumgesicht.
Denn von Ewigkeit geschrieben
  Lag das Buch an Gottes Thron,
  Und nicht unbekannt geblieben
  War es manchem Göttersohn.
Mancher Vers aus manchen Suren
  War bereits in Engelmund,
  Davon ward auf Jrem's Fluren
  Dem Schedad ein Wörtchen kund.
Von der Schilderung entzündet
  Jener Paradiesespracht,
  Hat er sich die Kunst verbündet,
  Die aus Erden Eden macht.
Sieben Meister ließ er holen,
  Die der Ruhm die größten pries,
  Jedem ward ein Thor befohlen
  Aufzubau'n dem Paradies.
Sieben nicht, es waren achte,
  Weil auch dort acht Pforten trägt
  Gottes Grundriß, mit Bedachte
  Hat es sich ihn eingeprägt.
Vom Tribut des Morgenlandes,
  Von der Abendlande Gold,
  Ward statt Mörtels oder Sandes
  Silber beigeführt und Gold.
Wechselnd, alle Ziegelsteine,
  Einer nach dem andern fort,
  War von Silber hier der eine,
  Und von Gold der andre dort.
Um die Gartenbeet' am Rande
  Eines Stroms voll Moschuswein,
  Dient die Perl' im Weg zu Sande,
  Und zu Kies der Edelstein.
Bäume, welche nie verlieren
  Laub und Blüthe, schmücken ihn
  Mit den Blättern, von Saphiren,
  Mit den Früchten von Rubin.
Alles schon ist himmelshuldig
  Fertig für den Sohn von Ad,
  Und im Garten ungeduldig
  Harret einzuziehn Schedad.
Alle Fürsten seines Reiches
  Ziehn mit ihm im Zug heran;
  Niemals sah die Sonn' ein gleiches
  Schauspiel gleichem Schauplatz nahm.
Einen Augenblick verschoben
  Sei des Königs Einzug nur,
  Bis die Kunst die letzten Proben
  Hat gethan an seiner Flur!
Einen Augenblick den Riegel
  Laß in Silberbanden ruhn,
  Bis von Gold die letzte Ziegel
  Auf des Daches Haupt wir thun
Doch woher den Mörtel langen,
  Der die Lücke füllen soll?
  Grad ist aus der Quell gegangen,
  Der so lang und reichlich quoll.
Gold und guter Rath ist theuer,
  Alles nahm man, wo sich's fand,
  Und gegeben hat die Steuer
  Will'ge und unwill'ge Hand.
Selbst den Rückstand beizutreiben,
  Rennt der Vogt verzweiflungsvoll,
  Doch an Mannen noch an Weiben
  Hebt er weder Zins noch Zoll.
Einen einz'gen Waisenknaben
  Sieht er mit der Spange gehn;
  Soll er Schmuck am Halse haben,
  Und entblößt der Giebel stehn?
Schnell ist ihm die Spang' entrissen,
  Und die Ziegel krönt das Dach;
  Doch in seinen Kümmernissen
  Weint er seinem Schatze nach:
»Weder Mutter, weder Vater
  Bringen mir zurück den Raub;
  Du dort oben, mein Berather,
  Sei nicht meinem Rufe taub!
»Gieb mir meine Spange wieder,
  Die mir Mutter sterbend gab!
  Und auf goldenem Gefieder
  Läßt sich Gabriel herab.
Leise löset er die Ziegel,
  Und die Spang' ist hergestellt;
  Doch gelöset scheint das Siegel,
  Das den Bau zusammenhält.
Unter seines Flügelschlages
  Rauschen sinkt das Eden ein;
  Keine Spur ist heut'gen Tages,
  Wo es mag gewesen sein.
Von des Sands verstürmtem Meere
  Sind die Pforten ausgefüllt,
  Wo Schedad mit seinem Heere
  Ward beim Einzug überhüllt.
Wenn du dir ein neues Jrem,
  Neuer Schedad gründetest,
  Laß der Waisen Gut! Mit ihrem
  Gute baust du niemals fest.