Was ich unmöglich achtet’

                   3.

Was ich unmöglich achtet', ist geschehn,
  Daß, die in allen stillen Knospen wühlen,
  Und Blüthen machen  auseinaudergehn,
  Die Frühlingslüft' auch meine Brust muss fühlen;
  Die mir mit ihrem leisen Wehn die Wehn,
  So mich bezwungen, aus der Seele spülen,
  Mir rathend, mich, statt unter Rasendecken,
  Noch einmal drüber träumend auszustrecken.

                   4.

Warum nicht auch, wenn mit unzählbar'n Augen
  Des Strauches Jugend und des Baumes Alter
  Des Lichts Erregung durstig in sich fangen,
  Und jeder ein wetteifernder Entfalter
  Wird aller Keime, die an ihm noch taugen;
  Warum nicht auch sollt' ich, erwacht aus kalter
  Betäubung, mich zum Frühlingsbrauch entschließen,
  Und sprossen lassen, was an mir will sprießen!

                   5.

Und wenn ich wär' ein abgestorbner Baum,
  So hab' ich einen solchen jüngst gesehen,
  Gebognen über eines Baches Saum,
  Und schwankenden in Frühlingslüfte-Wehen;
  Der neuem Trieb doch geben mußte Raum,
  Und an sich lassen einen Zweig entstehen,
  Darauf am Morgen sieh ein Vöglein setzte,
  Und singend, wer es hören mocht', ergetzte.

                   6.

Ein Fisch, vom Angel einmal schon betrogen,
  Er hütet sich am zweiten anzubeißen;
  Die Taube, die dem Habicht erst entflogen,
  Scheut jeden Schnabel, der sie kann zerreißen;
  Ein Schäfchen, das der Hirt dem Wolf entzogen,
  Mag gern im Stall zu bleiben sich befleißen:
  Ein Herz, das doch Erfahrung sollte warnen,
  Läßt stets von neuem sich die Lieb' umgarnen.