Mir ist bewußt, o mein geliebtes Leben

                       7.

Mir ist bewußt, o mein geliebtes Leben,
  Wie über dich solch eine Kraft ich übe,
  Dirh zu versenken und dich zu erheben
  Aus Lust in Schmerz, zu Heiterkeit aus Trübe
  O wäre mir nun auch die Kraft gegeben,
  Die des Gebrauchs mich jener überhübe,
  Statt zu zerreißen dich und zu entzücken,
  Dich dauerhaft und ruhig zu beglücken.

                       8.

Und wär' es nichts gewesen als ein Traum,
  So war es einer, werth sich sein zu freuen;
  Und nie, solang' ich wandeln werd' im Raum,
  Soll mich mit dir geträumt zu haben reuen.
  Ach daß, da wir recht entschlummert kaum,
  Der schöne Traum sich mußte schon zerstreuen!
  Nicht hadern darf ich jenen, die uns weckten,
  Und streng die Wachen auseinander schreckten.

                       9.

Dies Augenglas, das trüb und blind, erlischend
  Am Hauch der Zeit, nicht mehr hat taugen wollen,
  Hat deine Hand, mit leisem Tuche wischend,
  Aus matten Glanze hergestellt zum vollen.
  O du, erstorbnes Lebenslicht erfrischend
  Am todten Glas! wenn meine Augen sollen
  Die Welt nun wieder sehn im Rosenscheine,
  So ist die holde Schuld davon die deine.

                       10.

Du träumtest: da du, morgens aufgestanden,
  Dich schmücken wolltest, wie's geziemet Bräuten,
  Die Wasser waren trübe, die sich fanden,
  Und meinst nun, Thränen müsse das bedeuten.
  Wenn von den Wassern Thränen sind verstanden,
  So sind es Thränen wohl von andern Leuten;
  Denn trübe Wasser können nicht die reinen
  Bedeuten, die dein Auge würde weinen.