Da ich des Lebens Lust und Leid erfuhr

                      19.

Da ich des Lebens Lust und Leid erfuhr,
  Mein Herz vermag zu zürnen und zu lieben,
  Zu mir vernehmlich redet die Natur,
  Mir jede Sprache lebt, die Menschen schrieben;
  Und alles das ich nicht zu deuten nur,
  Auch auszusprechen fühle mich getrieben:
  Wie sollt' ich nicht, zum Trost den Splitterrichtern,
  Mich selber zählen zu den wahren Dichtern?

                      20.

Ich bin ein Reichen der's soweit gebracht,
  Daß er die Hand nun in den Schooß darf legen;
  Von selber hält sich seines Gutes Macht,
  Die Zinsen nahn dem Stock von allen Wegen;
  Er schläft, es wächst sein Reichthum über Nacht,
  Und morgens dankt er für des Himmels Segen;
  So wächst, und ängstlich bin ich nicht beflissen,
  Von selber nun mein wohlerworbnes Wissen.

     21. am dreißigsten September.

Ich esse noch, doch ist mir's keine Lust,
  Mir ist's, als könnt' ich es auch lassen bleiben;
  Ich schreibe Verse, doch aus matter Brust,
  Mich däucht', es könnte sie ein andrer schreiben:
  So leb' ich auch, doch ist mir's kaum bewußt,
  Und dünkt mir, könnt' ich auch was andres treiben,
  Als deß ich lebte, äß' und Verse schriebe,
  Da mir zu allem fehlet Lust und Liebe.

                       22.

Ein anderer singe zu des Sommers Preise,
  Der ihm die hellen langen Tage bringt,
  Wo er kann sehn auf Fluren frei vom Eise
  Lustwandeln die, nach deren Huld er ringt,
  Bei deren Anblick ihm aus jedem Reife
  Der Hoffnung junge Blüthenknosp' entspringt;
  Dagegen loben muß ich trübgesinnter
  Mit seinen langen Nächten mir den Winter.