Ich habe nie an Eures Herzen

                     30.

Ich habe nie an Eures Herzen Wand
  Für meinen Ruf den Widerklang gefunden;
  Ich konnte nie von meines Innern Brand
  In Euerm Blick den Widerschein erkunden;
  Ich habe nie von Eurer schönen Hand
  Für leisen Druck den Gegendruck empfunden:
  Und meine Liebe, deren Gegenstand
  Ihr wart, ist gegenlieblos so geschwunden.

                     31.

Was euch entgegen ist, ist mir zuwider;
  Warum ist, was mir lieb ist, Euch entgegen?
  Nie Eurem Wollen wandelt' ich zuwider;
  Was Herrin, kommt Ihr meinem nie entgegen?
  Dem Himmel wär' ich eh'r, als Euch, zuwider!
  Ihr seid dem Himmel, wie mir selbst, entgegen:
  Ihr thut der Ordnung der Natur zuwider:
  Daß ihr der Liebe setzet Haß entgegen.

                      32.

Der Frühling und die Liebste wollten ringen,
  Der Kampfpreis war mein armes Herz allein.
  Der Lenz ließ Blumen blühn und Quellen springen,
  Zu Hülfe rief er Sonn' und Mondenschein,
  Mir einen Strahl der Lust in's Herz zu bringen;
  Die Liebste aber räumt' ihm das nicht ein;
  Die Liebste will mit ihrem Groll es zwingen,
  Daß trotz dem Frühling Mir soll Winter sein.

                      33.

Als Gott der Herr, de0 Blick die Sphären rollte,
  Beschloß, daß Licht im Stern des Augs dir quölle;
  Da war für jeden, der einst schaun es sollte,
  Geschaffen Seligkeit und Himmels-Völle.
  Als Gottes unerforschter Rathschluß wollte,
  Daß einst von Haß dein holder Busen schwölle;
  Da war für jeden, dem in Zukunft grollte
  Ein Blick von dir, geschaffen eine Hölle.