Wir stritten jüngst

                      38.

Wir stritten jüngst in einer müß'gen Stunde,
  Ich und Amur, um unser beider Recht;
  Nicht zu entscheiden wußten wir mit Grunde,
  Wer von uns zwei'n der Herr sei, wer der Knecht?
  Wir wandten zum schiedsrichterlichen Munde
  Der Liebsten uns, die schied das Wortgefecht,
  Sie sprach: Amur ist Herr im Erdenrunde,
  Sein Knecht bist du, er aber ist mein Knecht.

                      39.

Stolz war Natur, als ihrer Schöpferhand
  Sie sahe dich, ihr Meisterwerk, entschweben.
  Stolz sah die Heil'ge von der Tempelwand,
  Als sie dir hörte ihren Namen geben.
  Stolz ward der Engel, als ihn Gott verband,
  Dich zu geleiten durch das ird'sche Leben.
  Und bist du selbst nun stolz, wie ich dich fand,
  Hat's Engel, Heil'ge, Schöpfung dir vergeben.

                      40.

Heil deinen Locken, deren tausend Spitzen
  Ich fühl' in dieser Brust, der wundenvollen!
  Heil deinen Augen, deren Todesblitzen
  Ich opfre diese Seele, der sie grollen!
  Wenn Aug' und Locke solche Kraft besitzen,
  Zu schlagen ihre Feinde, wie sie wollen;
  Wozu denn noch, daß Amorn Pfeile schnitzen,
  Zyklopen Jovis Keile hämmern sollen!

                      41.

Das Gold der Sonne ward in Fluß gebracht,
  Um dieses Hauptes Locken draus zu dichten;
  Berufen ward Rubin aus dunklem Schacht,
  Um dieser Mundespforten Glanz zu lichten;
  Geliefert ward dem Frühling Schlacht auf Schlacht,
  Um dieser Wangen Rosen aufzuschichten;
  Und soviel Schönheitsaufwand ward gemacht
  Von der Natur, um mich zu Grund zu richten.