Ach, ein verzaubert Reich

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Ach, ein verzaubert Reich ist die Natur,
  Stets hoffend, daß man sie des Bann's entbinde.
  Im Frühling ahnt sie der Erlösung Spur;
  Sie hofft, daß ganz in Glanz und Duft sie schwinde.
  Der süße Todesschauer kam, und fuhr
  Vorüber wirkungslos im Frühlingswinde.
  O Liebe, komm! in deinen Blicken nur
  Ist Hoffnung, daß die Welt in Feuer schwinde.

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O eine Circe du in neuer Weise!
  Da es gewesen jener Ersten Art,
  Daß, was sie angerühret mit dem Reise,
  Geniedriget zum Thier vom Menschen ward;
  Was aber tritt in deine Zauberkreise,
  Das wird erhöht durch deine Gegenwart:
  So daß die Blume lebt und fühlet leise,
  Und auch das Thier empfindet menschlich zart.

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Der Lenz ist meiner Liebsten blum’ges Kleid;
  Wie schwillt vor Lust es, weich sie zu umfließen!
  Der Morgen ist ihr glänzendes Geschmeid;
  Wie blitzt es, Strahlen um sie her zu gießen!
  Des Baumes Knospen sind ein stilles Leid,
  Das gern sich möcht an ihrem Blick erschließen
  Und alle Blumen sind ein heller Neid,
  Weil Rosen nur auf ihrer Wange sprießen.

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Bei des erglühten Osten Strahlenbrand!
  Beim Glanz im Zelte deiner Augenbrauen!
  Beim Blick der Sonne, dein die Nacht entschwand!
  Bei deinem Lächeln, dein ich will zerthauen!
  Beim Lilienduft! beim säuselnden Gewand!
  Beim Rosenhauch! beim Schweiz der Wangenauen!
  Der Morgen ist der schönste Mann im Land,
  Und du im Land die schönste aller Frauen.