Ich habe durch der ird’schen Dorne Land

Ich habe durch der ird'schen Dorne Land
  Still in der Brust getragen meine Rose.
  Drauf hab' ich, als ich Ruh' im Grabe fand,
  Im Herzen mitgenommen meine Rose.
  Und als mich auferwecket Engelshand,
  Hab' ich empor gehoben meine Rose;
  Und rings der Himmel stand in Strahlenbrand,
  Als ich ihm trug entgegen meine Rose.

                    91.

Ich will auf's Grab dir duft'ge Blüthen streuen,
  O Blüthe, die der Tod in Staub gestreckt!
  Dass Blumenopfer will ich dir erneuen,
  So oft der Lenz sein Blumenreich erneut.
  Wie sollt' ich, Blumen, euch zu brechen scheuen,
  Da sie zu brechen nicht der Tod gescheut?
  Für sie zu sterben sollt ihr nun euch freuen,
  Weil ohne Sie euch doch zu blühn nicht freut.

                    92.

Wo seid ihr Sonnen, deren Strahl mich schwülte!
  Wo seid ihr Lauben, die mir Schatten gabt!
  Wo seid ihr Hauche, deren Scherz mich kühlte!
  Wo seid ihr Rosen, deren Duft gelobt!
  Rosen, in deren Lust die Liebe wühlte,
  Wie ihr den Dorn itzt in die Brust mir grabt!
  Und wenn ich nicht um Dich den Schmerz noch fühlte,
  So wüßt ich nicht, daß Dich ich einst gehabt!

                    93.

An einem Grabe sah ich Amorn sitzen,
  An einem Grab, das seinen Stolz umschloß,
  Und in den Stein mit seinem Goldpfeil ritzen
  Die Schrift, auf die ein Strom von Thränen floß:
  Unnöthig waret ihr mir, goldne Spitzen,
  Solange dies Auge seine Blitze schoß;
  Mir unnütz seid ihr nach erloschnen Blitzen,
  Und dient zu meines Grames Griffeln bloß.