94.
Wohin den Schritt einst hat dein Fuß gelenkt,
Da blüht's aus dieser Flur von Ros' und Lilien.
Wohin den Blick dein Auge nur gesenkt,
Da blühn vor meinen Augen Ros' und Lilien;
Ein jedes Wort, das mir dein Mund geschenkt,
Blüht im Gedächtnis; mir wie Ros' und Lilien.
Und jedesmal als dein die Seele denkt,
Blüht in ihr auf ein Lenz von Ros' Und Lilien.
95.
Auf dieser Flur, wo reich an Blumenzier
Der Lenz hat seine Wohnung immerdar,
Macht süßen Wohllaut mit anmuth'ger Gier
Von leichten Vöglein eine muntre Schaar.
Hier sänftet seine Wildheit jedes Thier,
Der Wermuth ändert den Geschmack sogar,
Und Freude selbst wird jeder Schmerz dahier,
Und nur mein Leid bleibt ewig, wie es war.
96.
Die letzten Rosen, die im goldnen Horne
Der Fällen ausgespart der Frühling dir,
Hier send' ich sie, die mit beschämtem Zorne
Erliegen sollen deiner Wangen Zier.
Sie sind geschmückt mit meiner Thränen Korne,
Statt mit des Thaues blitzendem Saphir:
Doch, wie du siehest, sind sie ohne Dorne,
Weil alle Dorne sind im Busen mir.
97.
Die immergrünen Kinder der Natur,
Licin', Arbute, Myrthen und Alloren,
Erfreuen wenig sich des Lenzes nur,
Weil sie im Winter hatten nichts verloren.
Ganz freun sich jene Zöglinge der Flur,
Die Grimm des Frostes hatte kahl geschoren:
So fühlt mein Herz, das Winterhaß erfuhr,
Im Liebesfrühling jetzt sich neugeboren.