Ritornelle II 1-9

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54. Der Liebe Rausch verstehn nur trunkne Sinne;
     Stets unergründlich bleibet dem Verstande
     Die Süßigkeit des Grübchens an dem Kinne.

                     II.

1. Blüthe der Mandeln!
    Du fliegst dem Lenz voraus, und streust im Winde
    Dich auf die Pfade, wo sein Fuß soll wandeln.

2. Zierliches Glöckchen!
    Vom Schnee, der von den Fluren weggegangen,
    Bist Du zurückgeblieben als ein Flöckchcn.

3. Bescheidenes Veilchen!
   Du sagest: »Wann ich gehe, kommt die Rose.«
   Schön, daß sie kommt; doch weile noch ein Weilchen.

4. Glänzende Lilie!
    Die Blumen halten Gottesdienst im Garten;
    Du bist der Priester unter der Familie.

5. Lilienstengel!
    Zu einem Strauße bist du nicht geschaffen,
    Dich tragen nur in Händen Gottes Engel.

6. Rose im Dorne!
    Du denkest daß der Dorn dich solle schützen;
    Allein der Dorn dient der Begier zum Sporne.

7. Blüh'nde Narzisse!
    Dein Auge sieht mich an so unbefangen,
    Als ob dein Herz von keinem Kummer wisse.

8. Zweig der Pomeranze!
    Wie fängst du's an, den Silberglanz der Blüthen
    zu einen mit der Früchte goldnem Glanze?

9. Blüthe der Nachtviolen!
    Am Tage läßt sie keinen Kuß sich stehlen,
    Doch Abends giebt sie einen mir verstohlen.