An die Dichter; 2., 3., 4., 5.

Die Stein' harmonisch hat bewegt Amphion,
  Nicht deren Sinn verwirret, die da bauten;
  Besänftigt hat die Meerdelphin' Arten,
  Nicht stürmisch aufgeregt mit seinen Lauten.
Nur das ist Himmelskunst, die mich versöhnt,
  Die mir die Welt, mich vor mir selbst, verschönt.
  Was trübt, verwirrt, zerreißt, wie stark es tönt,
  Ist Lügenkunst, die bösem Zauber fröhnt.
Der Dichter sei ein Bildner, kein Traumbilderer,
  Kein Sinnverwirrer, Phantasieverwilderer,
  Ein Zähmer des Affekts, Gefühles Milderer,
  Selbst in sich klar, und aller Klarheit Schilderer.
Künd' ihnen (sparch der Herr zu Mohammeden),
  Was ich dir audgetragen;
  Und wenn sie nicht annehmen deine Reden,
  So laß dich's dann nicht nagen.

                                   3.

Was kann fühlen ein Mensch, das nicht der Menschheit gehörte?
  Und was denken, das nicht Tausende vor ihm gedacht?
Aber wenn unbefangen er's ausspricht, wie er es fühlet;
  Eigenthümlich und neu wird es erfreuen die Welt.

                                   4.

Geist genug und Gefühl in hundert einzelnen Liedern
  Streu' ich, wie Duft im Wind, oder wie Perlen im Gras,
Hätt' ich in einem Gebild es vereinigen können, ich wär' ein
  Ganzer Dichter, ich bin jetzt ein zersplitterter nur.

                                   5.

Willst du der Lieblingsdichter der Zeit sein, schreibe, daß jeder
  Zwischeb Wacheb und Traum lesen dich kann und verstehn.
Muthe nicht auch Anstrengung auf eitele Reime dem Volke zu,
  Dem Anstrengung genug kostet sein tagliches Brot.