Erste Stufe. Einkehr: 114., 115., 116.

Doch wer mit rechtem Blick und Kunstsinn es gewahrt,
  Dem ist des Schöpfers Kunst auch darin offenbart,
Nicht minder als im glanzentfalteten Gebäude
  Buntkroniger Blumenpracht, jedermanns Augenfreude:
So im von Meisterhand entworfenen Gedicht
  Sind Reize, die so leicht nicht fallen in's Gesicht,
In denen doch sich zeigt des Meisters Kunst und Macht
  Nicht minder als im Schmuck erfindungsreichster Pracht;
Doch nur der Kenner und Liebhaber von Kleinheiten
  Ergötzt sich an derlei verborgenen Feinheiten.

                           115.

Wohl ist die Poesie stets vor der Welt voraus;
  Wann kommt ihr diese nach, wo sie ist längst zu Haus?
Doch geht die Poesie der Welt auch hinterdrein,
  Die stets voran ihr rennt, nie holt sie jene ein.
Wenn hier die Poesie ein Feld hat angebaut,
  Hat schon das Leben sich nach andrem umgeschaut.
Was aber soll sie, wo das Leben ist entflohn?
  Sie sträubt sieh lang', und muß am Ende doch davon;
Und muss den Spuren nach, wo jetzt das Leben weilt;
  Da wohnt sie nun, indeß dass Leben weiter eilt;
Und schmückt die Spuren schön, sodaß sich dran erquickt
  Das Leben, wenn's einmal stillstehend um sich blickt.
So ist die Poesie hier stets Vergangenheit,
  Doch ew'ge Zukunft dort für Zeitbefangenheit.
Sie blickt dem Leben nach, und leuchtet ihm voran,
  Wie Morgenabendroth umsäumt des Tages Bahn.

                           116.

Befriedigung alswie im kleinsten Sinngedichte
  Ist Nicht im weitesten Gebiete der Geschichte.
Denn der Geschichte fehlt der Gegenwart Begränzung,
  Die ganze Zukunft ist gefordert als Ergänzung.
Und im Gedichte nur, wenn es ist rechter Art,
  Ist wie in der Natur vollkommne Gegenwart.