Zweite Stufe 10., 11., 12., 13.

Das Gute, das du thust, das thut in dir der Gute,
  Und nur das Böse kannst du thun aus eignem Muthe.
Das Bös' ist, daß du nicht gedenk des Guten bist;
  Was sein gedenk du thust, muß gut sein, wie er ist.

                            10.

Wer sich vor'm Andern schämt, fühlt sich vor ihm gelähmt;
  Doch sich gekräftigt fühlt, wer vor sich selbst sich schämt.
Wenn deinem Bilde leiht ein Maler schönern Schein,
  Beschämt dich das Gefühl, daß du nicht so kannst sein.
Doch wenn in's Schönre dich dein innrer Maler malt,
  Spornt dich's zu strahlen selbst, wie jetzt dein Bild nur strahlt.

                            11.

Der Geist des Menschen denkt nur durch den Gegensatz;
  Drum ist der Gegensatz im Denkgedicht am Platz.
Auch im gefühlten Lied sind tiefe Gegensätze,
  Anmuthig überhüllt vom fließenden Geschwätze.
Wo des Gefühles Fluth an Felsen scharfgezackt
  Der Leidenschaft sich bricht, sind's Gegensätze nackt.

                            12.

Ich habe, seit, o Freund, die Götter uns verbanden,
  Nie deine Weise so, wie meine du, verstanden.
Du bist nach deiner Art geübt, an sich zu denken,
  Und ich, Gedanken nur in Bilder zu versenken.
Du hast mir nach und nach geholfen aus dem Traum,
  Im innern auch zu schaun alswie im äußern Raum.
Und manches, was ich sonst gethan, weil ich gemußt,
  Thu' ich mit höherem Genusse nun bewußt.

                            13.

Will! Jeder doch die Welt nur seinem Sinn anpassen;
  Und was ich fassen soll, muß ich in Verse fassen.
Drum, ob an manchem Vers von mir du habest nichts,
  So denk': Den hat für sich der Meister des Gedichts.
Hätt ich den Vers, an dem du nichts hast, nicht gemacht,
  Hätt' ich auch die, woran du viel hast, nicht erdacht.