Zweite Stufe 17., 18., 19.

                            17.

Wenn du das dicke Buch durchblätterst der Geschichte,
  Du findest wiederholt auf jedem Blatt Berichte
Von widerwärt'gem Kampf und greulichem Verrath,
  Und selbst auf dunklem Grund steht jede lichte That.
Und auch des Dichters Kunst, die sich die freie nennt,
  Doch knechtisch hinterdrein nur der Geschichte rennt,
Weiß auch nichts Besseres zu unserem Ergötzen,
  Als nächtliches Geschick und blutiges Entsetzen.
Als sei von Gottes Welt nur dieses vorzuzeigen,
  Was man eh'r sollt' aus ihr vertilgen durch Verschweigen.
Als sei in der Natur nur Frost und Hagelschlag,
  Und gift'ger Raupenfraß kein blühnder Rosenhag;
Und in des Menschen Haus mit Krankenstubenjammer,
  Kein Kindertummelplatz und keine Hochzeitkammer.
Die Weichlichkeit ist schlecht, der Leichtsinn ist nicht gut,
  Doch noth ist heitrer Ernst und froher Lebensmnth.
Des Schattens kann im Bild entbehren nicht die Kunst,
  Doch ist ihr Element das Licht, und nicht der Dunst.
Mag die Geschichte nicht des traur'gen Amts entbehren,
  Daß durch Unmenschliches sie uns will Menschheit lehren;
O Phantasie, wenn du die Blüthe willst entfalten
  Der Menschheit, sollst du ihr kein Jammerbild vorhalten.

                            18.

Du bist beglückt, wenn dir, was da ist, ganz gefällt,
  Und deine Lust daran so lang hält, als es hält,
Und dann vergeht, wenn es zum Gehn auch Anstalt macht;
  Dann ist dir andre Lust an anderm zugedacht.

                            19.

Wenn du am rechten Ort das rechte Wort zu sagen
  Hilft unterlassen, bleibt es immer zu beklagen.
Wenn in Gedanken dann du's sagest hinterher,
  Wird die Versäumnis dir nur fühlbar um so mehr.
Doch unterlaß nur nicht, and sage dir es fein;
  Vielleicht ein andermal wirst du dann klüger sein.