Zweite Stufe 20., 21., 22., 23., 24.

                          20.

Ich gebe dir, mein Sohn, das mögest du mir danken,
  Gedanken selber nicht, nur Keime von Gedanken.
Nicht mehr zu denken sind Gedanken, schon gedacht;
  Von Blüthen wird hervor kein Blüthenbaum gebracht.
Doch ein Gedankenkeim, wohl im Gemüth behalten,
  Wird sich zu eigener Gedankenblüth' entfalten.

                          21.

Die Tage sehen wir, die theuren, gerne schwinden,
  Um etwas Theureres herangereift zu finden,
Ein selteues Gewächs, das wir im Garten treiben,
  Ein Kind, das wir erziehn, ein Büchlein, das mir schreiben.

                          22.

Dein Wirken wirst du nach verschiednen Stund' und Tagen
  Bald allzu niedrig, bald auch allzu hoch anschlagen.
Das sind des Hochmuths und des Kleinmuths böse Geister,
  Die laß nie sein in dir der rechten Demuth Meister.
Mit höchstem Selbstgefühl verträgt die Demuth sich:
  O Werkzeug Gottes, du nicht wirst, er wirkt durch dich.

                          23.

Du fragtest, wo und wie im Land du wohnen sollest,
  Wenn du des Menschen Zweck und Glück erreichen wollest.
Wohn' unter Himmelklar auf selbslbegrüuter Flur,
  Ruhend im Vollgenuß am Busen der Natur.
Wohn' aus bebautem Feld, wo, was man pflanzte, sprießt,
  In Fülle, die sie schafft, die Arbeit sich genießt.
Wohn' in belebter Stadt, wo eins das andre regt,
  Bild' und laß bilden dich, bewegend und bewegt.
Wohn' in der Wüste, wo Natur- und Meuschenweben
  Dich beides nicht berührt, um dir und Gott zu leben.
Wo du auch wohnen magst, da kannst du sein und bleiben
  Ein Mensch, und Meuschliches so oder anders treiben.

                          24.

Von Ruhm und Ehre wird das Herz durchaus nicht satt;
  Eh'r hat es Ueberdruß, eh'r es Genüge hat.