55.
Die Jugend war mir trüb umwölkt durch meine Schuld,
Und daß mein Alter nun hell ward, ist Gottes Huld.
Wie dürft' ich gegen dich mit meinen Gaben prahlen?
Nie kann ich meine Schuld, nie deine Huld bezahlen.
56.
Was, Dichter, suchst du? Ruhm? »Wen reizt die Seifenblase?«
Reichthümer? »Hätt' ich auch Lust am gefärbten Glase?«
Mitwirkung in der Zeit? »Ich bin nicht deren Sohn.«
Der Geister Bildung? »Sie sind überbildet schon.«
Was also suchest du? dir selber zu genügen?
»Mich mit dem Schein, als thu' ich etwas, zu betrügen.«
57.
Warum ich euch soviel Sinnbildliches berichte?
Weil Klein-Alltägliches nur so wird zum Gedichte.
Als Sinnbild muß man es für etwas Größres fassen;
Ein Großes an sich selbst darf man wie's ist nur lassen.
58.
Der Salamander sprach zu einem Schmetterlinge,
Als er am Feuer ihn versengen sah die Schwinge:
Wie bist du doch gewebt aus gar so leichten Stoffen!
Mich hat in dieser Gluth kein Unfall noch betroffen.
Mein Blut macht um mich her die glühen Kohlen kühl,
Und recht behaglich ist mir's auf dem Rosenpfühl.
Du rührest nur daran und gehest auf in Flammen;
Wie kommt dein Ungemach und mein Gemach zusammen?
Kann Tod und Leben so von gleicher Weide stammen?
Da sprach der Schmetterling zum Salamander sterbend:
So ist, was den erquickt, dem anderen verderbend.
Vielleicht beneidet wer dich um dein zähes Leben,
Die Liebe aber liebt das ihre aufzugeben. --
Mein Herz Vergleichest du die beiden mit einander,
Du ziehst den Schmetterling wohl vor dem Salamander.