Zweite Stufe 110., 111., 112., 113.

                         110.

Der Dichter wär' ein Gott und zu beglückt sein Loos,
  Der kleine Welten schafft, wie Gott schuf Welten groß:
Zu glücklich wär' er, wenn das, was er schuf im Spiele,
  Ihm auf die Dauer so, wie Gott sein Wert, gefiele.
Am Abend meint er zwar, daß wohlgemacht es sei,
  Doch die Zufriedenheit ist über Nacht vorbei.
Dann wendet er sich ab dem, was er abgethan;
  Gott aber sieht sein Werk mit neuer Lust stets an,
Und Neues schaffend will er Altes nicht vergessen,
  Nur seiner Liebesmacht Unmeßbarkeit ermessen.

                         111.

Weltweisheit ist ein Wort, hat nieder Sinn noch Kraft;
  Der Weisheit höchster Hort ist Gotteswissenschaft.
Weltweisheit aber soll, damit sie Sinn erhält,
  Die Weisheit Gottes nur im Spiegel schaun der Welt.

                         112.

Die Lehre, wenn sie dir von Herzen widerstrebt,
  Wenn du nur fühlest, daß sie dem im Herzen lebt,
Der diese Lehre lehrt, mußt du sie gelten lassen,
  Und suchen, deinem Sinn sie irgend anzupassen.
Belebend überall ist der Begeistrung Hauch,
  Und mag begeistern dich, wenn zu was anderm auch.

                         113.

Ich wünsche, daß dein Glück sich jeden Tag erneue,
  Daß eine gute That dich jede Stund' erfreue!
Und wenn nicht eine That, so doch ein gutes Wort,
  Das selbst unsterblich wirkt zu guten Thaten fort.
Und wenn kein Wort, doch ein Gedanke schön und wahr,
  Der dir die Seele mach' nnd rings die Schöpfung klar.
Nichts anders kann erfreun den Menschen und erheben,
  Wie diese Zeugnisse von eignem höherm Leben.
Und was das Glück von Lohn ihm zu von außen spült,
  Erfreut ihn nur, wenn er sich dessen würdig fühlt.