Zweite Stufe 126., 127., 128., 129., 130.

Du lösest sie nicht auf, der Räthsel sind zu viele,
  Noch lenkst ihren Lauf, sie rennt nach eignem Ziele.
Wohlauf, so viel du kannst, mit Lieb' und Geist zu fassen,
  Und was du nicht begreifst, dahin gestellt zu lassen.
Wie Krämer ihre Waar', auch deine sollst du tauschen,
  Versenden Liebesgrüß', und der Erwidrung lauschen.
Ich sende diesen Gruß, und sage nicht, wohin?
  Doch wissen möcht' ich, ob ich dort willkommen bin.

                         127.

In einem bist du mit dir uneins fort und fort,
  Daß bald die Sache mehr dir gilt und bald das Wort.
Bald scheint das Wort dir leer, die Sache nur vorhanden.
  Und bald die Sache todt, das Wort allein verstanden.
Und nur wo Poesie ihr schönes Bild des Scheins
  Dir vorhält, fühlest du, wie Wort und Sach' ist eins.
So, wort- und sachgelehrt, ein Dichtersprachgelehrter,
  Sei du vielfach gelehrt, und nicht ein Fachgelehrter.

                         128.

Wie oft verirrtest du, wie oft verirrst du noch,
Und kommst zu einem Ziel mit allem Irren doch.
Nicht sei entschuldiget dein Irregehn, gepriesen
Sei einzig Gottes Macht, die dich zurecht gewiesen.

                         129.

Wie eine lange Nacht die Feldwacht auf dem Posten
  Ausharret mit Geduld, bis roth es wird im Osten;
So vierzehn Tage hab' ich harrend hingebracht,
  Die alle waren mir nur eine lange Nacht.
Nun ist, ich danke Gott, auch diese Nacht vorüber,
  Doch reicht ihr Schatten weit noch in den Tag herüber.
Ach, daß gemenget sind, wem sollen wir es klagen,
  So lange Nächte zu so kurzen Lebenstagen!

                         130.

Welch' eine Sprach' ist schön, welch' eine Sprach' ist reich?
  Verschieden am Getön, im Sinn sind alle gleich.