138.
Bewiesen hat ein Freund von Geisterseherei,
Daß jeder Dichter auch ein Geisterseher sei.
Für einen Dichter hab' ich mich bisher gehalten,
Und wohl hab' ich gesehn auch geistige Gestalten.
Doch Geister, was die Herrn mit ihren Geistern meinen,
Nie sah ich einen Geist und will auch nie sehn einen.
Entweder bin ich denn kein Dichter, seh ich ein,
Oder ein Dichter muß kein Geisterseher sein.
139.
Sieh, mit den Füßen steht der Reis im Wasserbade,
Daß auf dem Haupte nicht der Sonnenbrand ihm schade.
Wenn du Besinnung kühl mit Gluthgefühl vereinst,
Auch reife Segensfrucht trägst du vielleicht dereinst.
140.
So lange du nur denkst, ohn' es in dir zu fühlen,
Wird ein Gedanke nur den andern weiter spülen.
Nicht wahr ist, was du denkst, nur was du fühlst, ist wahr
Durch's Denken machst du dir nur das Gefühlte klar.
Was du Gefühltes denkst, das wirst du auch behalten,
Und im Gedächtniß wird dir's ewig nicht veraltn,
Das seinen Namen zwar vom Denken hat empfangen,
Doch nur Gcefühltes bleibt im Angedenken hangen.
141.
Nicht ärgern sollst du dich an Fratzen, die der Glaube
Geschaffen hat, daß er die Macht der Schönheit raube.
So schaffet Fratzen auch die ewige Natur;
Sieh du von ihnen weg, und auf ihr Schönes nur!
Und Leben, Welt und Staat ist reich an Fratzenbildern,
Daher die Pfuscher auch am liebsten Fratzen schildern.
Nor vom Gebiet der Kunst hinweg, ihr Fratzen, geht!
Der Kunst, die über Welt, Natur und Glauben steht
So wenn sie jetzt nicht steht, hat sie doch einst gestanden;
Und bis sie's wieder thut, eh'r ist sie nicht vorhanden.